Text von Paula Marschalek
Forms of Exchange
Stella Bach widmet sich in ihren Arbeiten den verborgenen Lebensformen, die das menschliche Dasein auf zellulärer Ebene mitprägen. Ihre Zeichnungen und Malereien greifen Erkenntnisse aus Mikrobiologie, Medizin und Evolutionsforschung auf. Sie thematisieren die symbiotischen Beziehungen zwischen Mikroorganismen, Pilzen und pflanzlichen Lebensformen als Grundlage biologischer Entwicklung. Dabei stellt sie nicht nur die ästhetische Sichtbarkeit mikrobieller Strukturen in den Fokus, sondern auch deren kulturelle Codierung: zwischen Nützlichkeit und Angst, Heilung und Stigma. Überlebensstrategien von Pflanzen in extremen Umwelten sowie das Mikrobiom als Träger von Gesundheit und Identität eröffnen ein weites Feld für künstlerische Reflexion. Der Austausch als Prinzip der Koexistenz, verstanden als biologisches wie soziales Prinzip, wird zum zentralen Motiv.
In Zeiten ökologischer Krisen verweist Bachs Arbeit auf das fragile Gleichgewicht zwischen Mikro- und Makrokosmos und erinnert an Donna Haraways Forderung, Sympoiesis – das gemeinsame Werden – ins Zentrum unseres Denkens zu stellen.
Textcredit: © Paula Marschalek
In Stella Bachs vielfältigen Werk finden sich immer wieder Collagen, in denen mit großer Leichtigkeit und hohem sinnlichem Gespür Fotografie mit Malerei und Zeichnung kombiniert werden. In den hier zu sehenden Bildern lässt sich die Künstlerin von Motiven aus der Werbung und Modewelt inspirieren. Bach schneidet Fotos von Modellen aus, legt sie aufs Papier und verschränkt sie mit malerischen wie zeichnerischen Welten, mal abstrakt und expressiv, dann wieder gegenständlich und zart. Vom ursprünglichen Kontext separiert entwickeln die Modelle ein Eigenleben. Sie werden Teil einer poetisch künstlerischen Wirklichkeit, die sich einer klaren Interpretation entzieht.
Textcredit: © Günther Oberhollenzer
Stella Bach's diverse oeuvre repeatedly features collages in which photography is combined with painting and drawing with great ease and a high sensual sense. In the images on view here, the artist draws inspiration from motifs from advertising and the fashion world. Bach cuts out photos of models, puts them on paper, and interweaves them with worlds of painting and drawing, sometimes abstract and expressive, then again representational and delicate. Separated from their original context, the models develop a life of their own. They become part of a poetic artistic reality that eludes clear interpretation.
Textcredit: © Günther Oberhollenzer
STELLA BACH legt Bedeutungsschichten und Sinnebenen frei, indem sie mit ihrem Ausgangsmaterial sowie durch die Wahl ihrer Mittel multiple Schichten übereinanderlegt.
Dies trifft für ihre Malerei, Zeichnung und Plastik im gleichen Maße zu, wie für die Collage, die ja per se eine Schichttechnik ist. Die wahrscheinlich eher intuitiv, denn bewusst gesetzten
Zeichen bilden um Frau und Pflanze Räume, binden sie aneinander, bemächtigen sich des jeweils anderen und machen überkommene gesellschaftliche Rollenbilder und Klischees sichtbar. Insofern bricht Bach mitdem Naturkonzept der Romantik und sucht es aus seiner
kulturellen Umklammerung zu befreien. Natur, auch die weibliche, wird in Bachs Bildern viel mehr zur Selbstevidenz, zum selbstverständlich So-Seienden.
Die Bronzeplastik einer jeans-bekleidete junge Frau balanciert mit konzentriertem Blick sieben überdimensionierte rote Eier. „Woman multitasking“, so der Titel, charakterisiert treffend die eigene Biografie der Künstlerin und jene vieler Kolleginnen, die scheinbar
spielend Kunstproduktion, Brotberuf und Familie unter einen Hut bringen.
Dem Ei – als Synonym für den Ursprung allen Lebens – begegnen wir in einem Zyklus von zarten Farbstiftzeichnungen wieder. Wie eine Fruchtblase umgibt die Eiform die menschlichen und tierischen Protagonisten der Serie „ANIMA(L)“, wobei Bach im Titel mit dem Doppelsinn der Begriffe „Anima“ und „animal“ spielt.
Durch die Überlagerung der entindividualisiert skizzierten Menschenantlitze und Tierköpfe kommt es visuell zu einer Verschmelzung der beiden Kreaturen zu Mischwesen, die Animus und Anima, humane und animalische Wesenszüge in sich vereinen, was ja bei uns oft
in sprachlichen Analogien deutlich wird.
(Auszug einer Rede von Maria Holter anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Oh, Wildnis!“ in der eborangaleriewien im Mai 2018.)
MODE UND FEMINISMUS
„Feministische Kunst“ ist nicht gleich „Frauenkunst“
„Wenn wir uns für Mode interessieren, beschäftigen wir uns mit Machtverhältnissen und ihren Artikulationen auf physischer Ebene.“
(Kim Sawchuck)
Anfang der 80er Jahre kam eine Umfrage der Zeitschrift Emma zu dem Ergebnis, daß die Sorge um dasAussehen bei ihren Leserinnen nach wie vor eine große Rolle spielte. Protestierten die Feministinnen der 70er Jahre noch gegen die „Versklavung der Frauen durch Schönheits- und Modenormen“ und betrachteten sie die Mode noch als „Mittel zur Unterdrückung, Objektivierung, Spaltung und Verdummung von Frauen“, so scheinen nun auch Feministinnen dazu bereit zu sein, Mode als ein Mittel der Selbstverwirklichung und -bestimmung anzunehmen. Gegen Mode als selbstbestimmtes, individuelles Ausdrucksmittel ist auch aus feministischer Sicht nichts einzuwenden. Alice Schwarzer plädiert in Emma für „würdevolle, bequeme Kleider, in denen große Schritte gemacht werden können.“ Feministinnen behaupten, sich nur „für sich selbst“ gut zu kleiden. Aber - ist es möglich, Mode aus dem sozialen Kontext auzuklammern und auf eine rein individuelle Ebene zu heben?
Mode ist nach Beaudrillard ein „universalisierbares Zeichensystem, das alle anderen unter seine Gewaltbringt, so wie der Markt alle anderen Tauschweisen eliminiert“. Die Zeichen der Mode sprechen eine Sprache der Abgrenzung oder Zugehörigkeit, eine Sprache der Anpassung oder der Revolte. Die Wahl der Kleider könnte somit als eine symbolische Politik betrachtet werden. Allerdings mache frau sich durch die Modesucht auch „zur Komplizin des kapitalistischen Warenfetischismus“. (Isabelle Graw)
Im gesellschaftlichen Spiel des „Sehens und Gesehenwerdens“ ist es so, daß Frauen sich dem vorherrschenden männlichen Blick preisgeben. Sie lernen von Anfang an, sich selbst ständig zu beobachten und zu kontrollieren, ob sie den Erwartungen der fremden Blicke entsprechen. Sie inszenieren sich für die Blicke der anderen, die sie längst als den eigenen Kodex verinnerlicht haben, so daß sie immer (männlicher)
Beobachter und (weibliche) Beobachtete, Subjekt und Objekt in einer Person sind.
Genau an dieser Grenze zwischen Subjekt und Objekt stellt sich die Frage nach Selbst- und Fremdbestimmung. Die Oberfläche des modisch inszenierten Körpers ist die Fläche der Projektion und Präsentation der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Models spielen in diesem Szenarium immer mehr die Rolle von Vorbildern und Identifikationsfiguren. Sie haben großteils das Bild der dummen Puppe abgelegt, und den Status eines Stars mit Persönlichkeit erlangt. Inwieweit aber Stars in einer patriarchalischen Gesellschaft gemacht und geprägt werden von deren Wünschen ist eine andere Frage. Und inwieweit Frauen sich unbewußt diesen Maßstäben unterwerfen, und dabei der Illusion unterliegen, selbstbestimmt zu agieren, ist noch eine Frage ....
Nirgendwo sonst ist die Benachteiligung von Frauen so krass wie im Bereich der bildenden Kunst. Der Anteil von Künstlerinnen bei internationalen Großausstellungen liegt bei ca. 9%. Bei führenden Galerien und Kunstmessen bei 14%. Innerhalb von 17 Jahren gab es im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien 93 Einzelausstellungen, davon nur 2 von Künstlerinnen. Dabei sind aber die Hälfte aller AbsolventInnen
von Kunsthochschulen weiblich. Diese Zahlen sprechen für sich.
„Sich ein Bild zu machen“ war schon immer geprägt von der Dominanz des männlichen Blicks. Der männliche Maler setzte die Muse (möglichst nackt) aufs Bild und stattete sie mit den Attributen seines Begehrens aus. Als die „Musen“ sich aus der erstarrten Haltung befreiten, und begannen sich selbst als Künstlerinnen zu definieren, stießen sie auf erhebliche gesellschaftliche Widerstände. Feministische Künstlerinnen reagieren darauf. Sie bestehen auf einer Abgrenzung gegen den Begriff „Frauenkunst“. Sie lehnen die patriarchalisch bestimmte Kultur ab.
Der Gefahr einer Verghettoisierung einer Kunst von Frauen, wie sie eben in dem Begriff „Frauenkunst“ enthalten ist, sind sich feministische Künstlerinnen voll bewußt.
Auch gegenüber der Zuordnung zu einer spezifisch „weiblichen Ästhetik“ sind einige feministische Künstlerinnen sehr skeptisch, weil sich die Inhalte und Formen ihrer alternativen Eigenheit wiederum nur durch Abgrenzung zur „typischen Männerkunst“ hin definiert, und damit die Doppelbödigkeit der geschlechts- und gesellschaftsspezifischen Unterdrückung und Entfremdung des Menschen im Kapitalismus verleugnet.
Die Domäne des Körpers galt schon seit jeher als die der Frau. Mode, Tanz und Schauspielkunst sind durch weibliches Schöpfertum belegt. Auch in der bildenden Kunst sind die körpergebundenen Manifestationen vorherrschend. Feministische Künstlerinnen sind sich aber der Gefahr der Zuordnung zur „Naturnähe“ bewußt, was Simone de Beauvoir in ihrem berühmt gewordenen Statement „Die Natur der Frau ist eine Falle“ treffend formulierte. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit ist dabei eine Gratwanderung
zwischen Selbst- und Fremdbestimmtheit.
Feministisch bewußte Künstlerinnen der 70er Jahre wie Valie Export, Ulrike Rosenbach, Judy Chikago, Annette Messager oder Gina Pane haben begonnen, gerade im dem Bereich, wo Frauen am meisten von Mythen und Schönheitsvorstellungen manipuliert werden, ein selbstbestimmtes „Gegenstatement“ zu entwerfen.
Während im feministischen Aktionismus Frauen versuchten, die Körperlichkeit neu zu definieren, nämlich ihr Erscheinungsbild selbst bestimmten und sich dem männlich voyeuristischen Blick verweigerten, scheint sich die Entwicklung in der jüngeren Geschichte wieder umzukehren. Schönheitschirurgie und Eßstörungen, sowie die Darstellung des eigenen Körpers als absichtlich den voyeuristischen Blick befriedigend, sind weit verbreitete Themen im künstlerischen Kontext geworden. Dieses scheint symptomatisch für die gesellschaftliche Entwicklung geworden zu sein. Frauen unterwerfen sich scheinbar freiwillig dem vorgegebenen Schönheitsideal. Fremdbestimmheit wird nicht einmal mehr als solche wahrgenommen. Sie zu entlarven ist ein Tabubruch.
Aber: Tabus haben immer schon der Erhaltung bestehender Machtverhältnisse gedient. Und diese zu brechen war schon immer eine wichtige Voraussetzung für Entwicklung. Vielleicht ist die Zeit dazu wieder einmal reif.
© Stella Bach
Erschienen im Magazin KOSMOS Frauenschrift: Körper - Seele - Mythos August 2000